VINYL MASTERING IM DETAIL

Wie lang darf eine Vinyl-LP maximal sein?

Es hängt vom gewünschten Sound, Stil und der Lautheit ab. Je mehr kraftvolle tiefe Frequenzen enthalten sein müssen, desto mehr Platz auf dem Medium wird benötigt. Das bedeutet, dass z. B. eine laute Hip-Hop-Produktion nicht länger als 10 oder 15 Minuten pro Seite sein sollte. Dagegen kann eine Kammermusik-Produktion ohne viel tiefe Frequenzen 25 oder maximal (!) 30 Minuten pro Seite lang sein. Das durchschnittliche Frequenzspektrum und die benötigte Länge beeinflusst aber auch wesentlich den durchschnittlichen Pegel (also die Lautheit), der vom Vinylschnitt-Ingenieur festgelegt wird.

Was unterscheidet Mastern für Vinyl vom Mastern für CD?

Bereits beim Mischen einer Produktion für Vinyl kann/sollte man gewisse technische Besonderheiten beim Vinylschnitt berücksichtigen. Andernfalls muss das beim Mastern geschehen, wenn man die Kontrolle darüber behalten möchte, was ansonsten eventuell beim Vinylschnitt am ursprüngliche Klangkonzept nicht mehr befriedigend umgesetzt werden kann. Hier die wesentlichsten Punkte:

Falls ein Mix Instrumente enthält, die im Bassbereich sehr viel Seitensignale enthalten (breit klingen), würden diese beim Vinylschnitt eine starke Seitenbewegung der Rille verursachen und damit den verfügbaren Platz = Zeit pro Seite verringern. Um das zu vermeiden, müssten diese Signale vom Vinyl-Cutter in ihrer Phasenlage eingeengt (mono summiert) werden. Das kann in Frequenzbereiche bis 300 Hz hoch reichen.
Beim Mastern für Vinyl würde ich daher die Bearbeitung im Tiefenbereich vorwiegend in mono vornehmen, um damit die möglichen Folgen einer Mono-Summierung beim Vinylschnitt schon in der Klangbearbeitung berücksichtigen zu können. Wenn aber schon beim Mixen der tiefen Instrumente auf deren klangliches Mitten-/Seiten-Verhältnis geachtet wird, muss daran beim Mastern weniger oder gar nicht mehr herumgeschraubt werden.
Übrigens: Bei Vinyl-Scheiben aus den 70er Jahren, die recht druckvoll auch im Bassbereich produziert sind und ein durchaus breites Stereobild abgeben, kann man oft beim Abhören in mono kaum einen Unterschied im Mix und im Frequenzspektrum hören.
Das kommt auch daher, dass oberhalb von 300 Hz selbst „außerphasige“ Signale weniger problematisch sind, sodass man in diesem Bereich reichlich Spielraum für die Spreizung der Klänge in der Stereo-Basis hat. In diesem Bereich kann man beim Mixen auch berücksichtigen, dass die Kanaltrennung beim Abspielen von Vinyl-Platten naturgemäß begrenzter ist als bei digitalen Medien. Trotzdem ist zu empfehlen, in allen Frequenzbereichen Monokompatibilität zumindest anzustreben.

Im Bereich der Höhen ist zu beachten, dass Signale mit starkem und komplexen Höhenanteilen (Zischlaute, Cymbals, Hi-hats etc.) den Schneidemechanismus stark strapazieren (erhitzen). Deshalb müssen diese Klänge ggf. vom Cutter mittels De-esser oder Filter begrenzt werden. Um die Kontrolle über die Auswirkungen zu behalten, würde ich das beim Mastern schon berücksichtigen, wobei hier die Möglichkeiten begrenzt sind. Ein De-Esser oder Tiefpass-Filter in der Stereosumme richtet normalerweise Kollateralschäden auch in den Klängen an, deren Höhen für den Vinylschnitt eher unproblematisch sind und möglichst unangetastet bleiben sollten.
Wenn also bereits beim Mischen auf den Spuren mit komplexen und möglicherweise verzichtbaren Höhenanteilen (Vocals, Cymbals und evtl. Hi-hat) geeignete Maßnahmen dagegen (De-esser, dynamische Filter o. ä.) ergriffen werden, kann das vermieden werden. Wenn man nebenbei bedenkt, dass überbetonte Höhen und hohe Mitten auch bei digitalen Medien eher nerven und auch am meisten für Verschleißerscheinungen am Gehör verantwortlich sind, gibt es eigentlich keinen Grund, für Vinyl hinsichtlich Frequenzspektrum anders zu mixen und zu mastern, als für digitale Medien.

Beim Festlegen der Track-Sequenz kann man darauf Rücksicht nehmen, dass die Toleranz beim Vinylschnitt gegenüber hohen Pegeln im Bass- bzw. Höhenbereich zur Mitte der Vinyl-Scheibe hin abnimmt. Das kann u. a. bedeuten, dass Verzerrungen besonders in den Höhen und hohen Mitten zunehmen, je näher die Rille dem Label kommt. Darauf kann man auf zweierlei Weise eingehen: Entweder man hält die Spielzeit pro Seite so kurz (z. B. max. 15 Min.), dass der Platz auf der Scheibe nicht bis zur Mitte genutzt werden muss, oder (bzw. und) man platziert die druckvollsten Tracks mit viel Bassanteil vorzugsweise am Anfang jeder Seite.

Was tun, wenn ein Album für CD und für Vinyl vorgesehen ist?

Berücksichtigt man die o. g. Kriterien für eine Produktion speziell für Vinyl, steht das nicht im Widerspruch zur Veröffentlichung derselben Tracks auf einer Audi-CD. Im Gegenteil: Die klangliche Monokompatibilität und die Begrenzung strapaziöser Höhen kommt jedem Medium zugute. Sofern die Hinweise für den Umgang mit Tiefen, Stereo-Image und Sibilanz beim Mix für Vinyl beachtet werden, ist es kaum nötig, alternative Versionen für CD zu mastern – zumindest nicht hinsichtlich der Klangbearbeitung. Ausgehend von einem Mastering für digitale Medien in hoher Auflösung kann man bei deren Vorbereitung für Vinyl noch ein paar Maßnahmen vorwegnehmen, die ansonsten der Vinyl-Cutter treffen würde.

Der wesentliche Unterschied der für Vinyl vorgesehenen Master-Files gegenüber einem fertigen Audio-CD-Master ist das zu liefernde Audio-Format. Ein Vinyl-Master sollte eine möglichst hohe Samplerate und Bit-Tiefe (z. B. 88,2 kHz oder höher und mindestens 24 Bit) haben. Ein Up-Sampling nach der Mastering-Bearbeitung macht allerdings keinen Sinn, da damit die Audioqualität nicht verbessert werden kann. Falls der Mix (vor dem Mastering) mit einer Samplerate von 44,1 kHz geliefert wird, könnte es für die nachfolgenden Mastering-Prozesse nach 88,2 kHz konvertiert werden – siehe auch MASTERING-STRATEGIEN. Der Vorteil von 88,2 kHz gegenüber beispielsweise 96 kHz wäre, dass sich dieses Format ebenso für den Export eines CD-Masters eignet, da die Samplerate nur im Verhältnis 2:1 umgerechnet werden müsste (eine relativ verlustfreie Samplerate-Konvertierung).  

Eine Bearbeitung aller Tracks – ob für Vinyl oder für Audio-CD – könnte also am besten mit einer Samplerate von 88,2 kHz im 32-Bit-Float-Format stattfinden. Die für Vinyl vorgesehenen Tracks kann man dem Vinyl-Schnittmeister auch in diesem Format liefern.

Track-Sequenz und Pausen zwischen den Tracks auf der Vinyl-Scheibe

Im Gegensatz zur CD, bei der all das im Master-Medium (z. B. im DDP-Datensatz) festgelegt ist, gibt es dafür beim Vinyl-Mastering mehrer Möglichkeiten:

  1. Wir liefen die Tracks als einzelne Wave-Dateien mit Dateinamen oder anderen Hinweisen auf die chronologische Anordnung und lassen den Vinylschnitt-Toningenieur über die Pausen zwischen den Tracks entscheiden (nicht zu empfehlen).
  2. Wir liefern zwei Wave-Dateien mit der gesamten A- bzw. B-Seite, also auch schon mit den zwischen den Titeln vorgesehenen Pausen. Zusätzlich liefern wir dem Cutter eine TOC (table of contents oder auch "Time-Sheet" genannt), damit der Cutter die Übergänge zwischen den Tracks, die Kennrille, exakt schneiden kann.
  3. Wir liefern die Tracks als einzelne Wave-Dateien (siehe 1.) und dazu die unter 2. genannte TOC für die jeweilige Seite mit genauen Angaben zu den Pausenzeiten zwischen den Tracks.
  4. Wir liefern die Tracks als einzelne Wave-Dateien, aber mit den gewünschten Pausen an deren Ende, und informieren den Vinyl-Schnittmeister über die damit verbundene Absicht (nicht empfohlen).

Eigentlich sind nur die Option 2. und 3. ernsthaft in Betracht zu ziehen. Welche davon für alle Beteiligten am besten geeignet ist, kann man am besten mit dem Vinyl-Schnittmeister klären. Außerdem sollte man vor der endgültigen Pressung eine Probe-Pressung anfordern und diese gründlich überprüfen.

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