Hugo Read – Chamber Works

(kreuzberg records 2011)

Die CD startet mit „Equality“, einer Komposition, deren Titel auf Gleichheit oder Gleichberechtigung anspielt. Ob der Komponist damit das Nebeneinander von Musikstilen oder die zwei von ihm gespielten Altsaxophone im Thema meint, bleibt offen. Egal – auf jeden Fall hören wir hier zeitgenössischen Jazz vom Feinsten. Im "Prolog" (so heißt das Vorspiel zu "Equality") zeigt sich schon mal die Affinität des Komponisten zur klassischen Moderne. Der "Prolog" mündet aber schon nach 50 Sekunden in einen prickelnd treibenden Groove, über dem ein wunderschönes Thema dahinschwebt. Seine Partner in diesem und noch anderen Tracks des Albums dürften jedem Jazzkenner zumindest in Europa ein Begriff sein. Wie schon teilweise in anderen Projekten von und mit Hugo Read überzeugen sie auch hier mit expressiven Soli und homogenem Zusammenspiel.

Kaum dass sich nach „Equality“ die Gänsehaut wieder zurückgezogen hat, kommt sie im Track 2, „Stufen“ – einem ruhigen Jazzstück mit Ohrwurmpotenzial –, erneut zum Vorschein. Bis hierhin würde man auf ein Jazz-Album auf höchstem Niveau schließen. Aber für die gesamte CD wäre das viel zu kurz gegriffen. Es folgen Tracks in unterschiedlichsten Besetzungen und Stilistiken. Ob in Solostücken, ob im Duo mit sich selbst, ob in sparsamen Arrangements mit selbst eingespielten elektronischen Instrumenten oder im filigranen Zusammenspiel mit Posaune und Flügelhorn – neben den eindeutigen Wurzeln im Jazz spürt man auf diesem Album deutlich die Berührungspunkte mit der komponierten Musik des späten 20. Jahrhunderts, die sich auch u. a. in seinen CD-Produktionen mit Peter Degenhardt erkennen lassen. Seinen nahezu grenzenlosen stilistische Horizont hat Hugo Read längst durch etliche gemeinsame Projekte mit namhaften Vertretern der zeitgenössischen komponierten und improvisierten Musik wie Markus Stockhausen, Manfred Schoof, Christoph Spendel u. v. a. bewiesen. Mehr Aufschluss über seine Aktivitäten gibt ein Besuch auf der Website http://www.hugo-read.de.

Chamber Works wirkt auf mich wie das sehr persönliche Statement eines sensiblen und vielseitig ambitionierten Musikers, das schon deswegen in keine Schublade passen kann. Wer Hugo Read kennt, spürt hier bei aller (uneitlen) Eleganz und Souveränität im Umgang mit Instrument und Komposition sein entspanntes und zurückhaltendes Wesen und seine Abneigung gegenüber musikalischem Fraktionsdenken. Auch in seinen Ausflügen in expressionistische Klangbilder oder in seinen freien Improvisationen – frei übrigens auch von abgegriffener Free-Jazz-Attitüde – wird das Album an keiner Stelle anstrengend. Ein echter Kunstgenuss!

Wolfgang Fiedler