BUSY FINGERS (2) – Heft 09/‘96
Der besondere Reiz der etwas bewegteren Boogie-Begleitungen der linken Hand bringt gleichzeitig mit sich, dass man damit erst ab einem bestimmten Punkt richtig glücklich werden kann. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist z. B., dass (besonders beim Improvisieren) die linke Hand unabhängig und sicher ihren Part beherrscht. Das ist vor allem ein motorisches Problem mit dem Schwerpunkt auf der Rhythmik, denn der tonale Ablauf dürfte recht schnell in den Griff zu bekommen sein.
Rhythmische Unabhängigkeit hat immer zwei Seiten, denn gänzlich unabhängig voneinander im wörtlichen Sinne sollen ja beide Hände nicht sein. Dieses könnte schließlich auch sehr nachteilige Auswirkungen haben, wenn sich nämlich beide Hände auch im Hinblick auf das Tempo selbständig machen.
In der Beispiel-Improvisation (Notenbeispiel 4) gibt es allerdings eine Stelle, an der genau diese Art Unabhängigkeit gefragt ist: Takt 17 und 18. Solche Passagen lassen sich nur spielen, wenn die linke Hand relativ unterbewusst und eher mechanisch weiter läuft. Hier zahlt sich dann sowohl das einzelne Üben der linken Hand, als auch die weiter unten noch beschriebene Trainings-Strategie aus.
Abgesehen von diesem etwas extremen Fall von Sechzehnteln über einem ternären Groove besteht das, was wir unter einer rhythmischen Unabhängigkeit verstehen, eher in einer möglichst großen motorischen Flexibilität und einer bewusst gestalteten Abhängigkeit. Aus dieser Sicht ist es also nur erstrebenswert, die unangenehmen Seiten dieser Abhängigkeit auszuschalten und auf die technischen Klippen, die im Zuge des Improvisierens schwer vorhersehbar sind, so gut wie möglich vorbereitet zu sein.
Für diese Zielstellung ist das Einzel-Üben jeder Hand für sich logischerweise ungeeignet. Also gilt es Übungen zu konzipieren, in denen an den (bekannten) technischen Problemstellungen in der Zusammenarbeit beider Hände in möglichst konzentrierter Form gearbeitet wird. Ein typischer Fall für rhythmische Klippen sind so kleine, sporadisch eingebaute Triolen-Figuren in der rechten Hand. Denn solange beide Hände fortlaufende (ternäre) Achtel spielen (hier als punktierte Achtel mit Sechzehntel notiert), kann nicht viel passieren.
Notenbeispiel 1 zeigt ein Pattern, in dem solche Triolen gehäuft, aber nicht durchweg vorkommen. Das ist insofern wichtig, weil ja eben gerade der Wechsel vom „rhythmischem Unisono“ mit der linken Hand zu den Triolen (und umgekehrt) die motorischen „Schaltstellen“ sind, an die es sich zu gewöhnen gilt.
Wichtig an diesem und den anderen Patterns ist, dass man sie langsam übt, sodass man eine 100%ige Kontrolle über die rhythmische Präzision und die damit verbundenen Impulse und Bewegungsabläufe in beiden Händen hat. Deshalb ist hier das halbe Tempo des eigentlichen Zieltempos angegeben.
Die Notenbeispiele 2 und 3 zeigen zwei Möglichkeiten für Triolen-Figuren in der rechten Hand, wie sie übrigens mit anderer Begleitung bereits schon einmal in Heft 12/95 (Notenbeispiele 4 und 6) abgebildet waren. Dort hatte ich ja auch darauf hingewiesen, dass es für diese Art Übungen viele Anwendungs- und Variationsmöglichkeiten gibt.
Hierbei geht es also auch wieder weniger darum, diese Patterns so zu üben, wie sie dastehen. Vielmehr sollen die Beispiele darauf aufmerksam machen, nach welchem Muster man sich zusätzliche oder abwechslungsreiche technische Klippen für die rechte Hand in Übungen einbrocken kann, die nach dem Muster von Notenbeispiel 1 gestaltet sind.
Um das Ganze letztlich noch weiter zu treiben, bietet es sich auch an, die Akkordwechsel des Bluesschemas mit zu berücksichtigen. (Von einem Üben in allen Tonarten wollen wir hier mal absehen, da es ja vor allem um die Rhythmik geht.)
Mit den zwei Bluesstrophen Beispiel-Improvisation im Notenbeispiel 4 und eventuell auch dem Thema aus dem vorigen Heft lassen sich noch weitere Betätigungsfelder auftun. Im nächsten Workshop wird es nämlich eine Reihe anderer Boogie-Begleitmuster für die linke Hand geben, die man dann vielleicht mal anstelle des hier verwendeten mit den Parts der rechten Hand kombinieren kann.
© 1996 by Wolfgang Fiedler